Alles muss raus

 

Alles muss raus – diesen Gedanken und dieses Bedürfnis hatte ich vor einigen Monaten. Ich wohne jetzt seit etwas über drei Jahren in einem Micro-Apartment auf 34qm. In dieser Zeit hat sich die Aufteilung des Raums, die Farben und auch die Zusammensetzung der Möbel immer mal wieder verändert, weil Altes gehen durfte und ich mich um Alternativen kümmern musste, vor allem was meine Schlafstätte betrifft.

Sogar ein Schlafsofa ist vor längerer Zeit eingezogen – als Alternative für meine damals durchgelegene Matratze. Das Schlafsofa hat sich zum dauerhaften Schlafen leider gar nicht bewährt, obwohl ich mir beim Kauf sehr viel Zeit gelassen habe und etwas qualitativ Hochwertiges ausgewählt hatte. Aktuell erfüllt es lediglich die Sofa-Funktion. Zum Schlafen bin ich wieder auf eine Bodenmatratze umgestiegen, nachdem ich einen Baumwoll-Futon gekauft hatte und sehr unzufrieden damit war: Er war schwer, viel zu weich und nach wenigen Wochen so ungleichmäßig durchgelegen (trotz Wenden), dass ich eine Alternative finden musste und gefunden habe. Jetzt bin ich wieder sehr zufrieden mit meiner Schlafstätte. Solche „Umwege“ sind ärgerlich, gehören aber dazu und stärken die Wahrnehmung dafür, was man wirklich möchte und braucht.

 

 

 

 

Renovieren als Minimalist

Auch farbtechnisch musste sich für mich etwas verändern, da ich mir die vielen Holz- und Grüntöne regelrecht satt gesehen hatte. Renovieren als Minimalistin braucht definitiv seine Zeit, da eher nach und nach ausgetauscht und ersetzt wird, als alles auf einen Schlag. An dieser Stelle auch ganz viel Wertschätzung an meine Herzensfrau, die sich dreien meiner „holzigen“ Einrichtungsgegenstände gewidmet hat, um diesen einen schwarzen Anstrich zu verpassen  ich selbst hätte nicht die Geduld dafür gefunden.

 

Vorher und nachher:

 

Was das Weggeben von Dingen angeht: Selbst in meinem Fall ist mir wieder bewusst geworden, wie aufwändig und nervenaufreibend es sich für mich anfühlt, Dinge auf nachhaltige und sinnvolle Art und Weise abzugeben. Verkaufen auf Kleinanzeigen und Co. fand ich eigentlich immer schon ziemlich nervig und anstrengend, daher habe ich 95% von dem, was gehen durfte, verschenkt und an ein Sozialkaufhaus gespendet.

Aber auch ich kenne diesen Gedanken: „Ich habe mal viel für dieses Ding bezahlt, also möchte ich auch noch was dafür bekommen.“ Aber schon dieser Gedanke, diese Idee ist wie ein unangenehmer Ballast, der das Loslassen von Dingen erschwert. Mir hilft der Gedanke: „Das Ding hat seine Funktion für mich erfüllt und damit hat sich auch sein Wert für mich erfüllt, weshalb ich es guten Gewissens ohne Gegenwert weitergeben darf, da sich sein Wert für mich bereits erfüllt hat.“ Das gleiche Denkmuster findet sich häufig bei Fehlkäufen, auf denen man dann regelrecht „sitzen bleibt“.

Mittlerweile sind das Aussortieren und Umgestalten fast abgeschlossen. Hier und da tauchen noch Dinge auf, die ich in einen meiner Küchenschränke lege, um zu erproben, ob ich diese Dinge vermisse oder ob ich sie vielleicht sogar binnen weniger Tage völlig vergesse.

 



Wie weit kann ich gehen?

Diese Frage stelle ich mir im Grunde, seitdem ich der Flut der Dinge in meiner unmittelbaren Umgebung Einhalt geboten habe. Die Frage „Mit wie wenig kann ich leben?“ fasziniert mich. Sie trägt etwas Ursprüngliches in sich, da ein sehr großer Teil dessen, was wir besitzen und meinen zu brauchen, auf künstlich kreierten Bedürfnissen basiert. Dabei geht es für mich nie um Verzicht als etwas Unangenehmes, sondern um Klarheit und Fokus auf das, was wirklich wesentlich ist. Hier liegt auch der Unterschied zwischen selbst gewähltem Minimalismus und echter Armut – in Armut lebend trifft man die Entscheidung nicht selbst. Rein psychologisch betrachtet, steigert das Treffen eigener und selbstbestimmter Entscheidungen die Zufriedenheit, nicht aber das Gezwungen-Sein.

Insofern empfinde ich es immer noch als großen Luxus, meine Dinge und meine Umgebung so zu reduzieren und gestalten zu können, wie es meinen Bedürfnissen entspricht. Das ist für mich der eigentliche Luxus, nicht das Anhäufen und Sammeln von Dingen, nur weil ich es könnte oder weil es etwas Bestimmtes nach außen repräsentiert. Es ist doch ohnehin irgendwie paradox, oder nicht? Wohlstand und Qualität in Räumen oder anderen menschengemachten Umgebungen zeichnen sich häufiger durch Reduktion aus: Wenig Dinge, die aber qualitativ sehr hochwertig und stilvoll sind. Insofern hat sich für mich im Verlauf ebenfalls gezeigt: Ich möchte wenig Dinge, aber dafür hochwertiger und hoffentlich langlebiger. Kurz gesagt:

 

Weniger, aber besser.

Was habt ihr in letzter Zeit alles aussortiert?
Welche Dinge sind unverzichtbar?

 

 

Kommentare: 8
  • #8

    Daniel (Montag, 10 Juni 2024 10:57)

    Hallo Aura,
    danke für die Einblicke zum Thema Besuche. Das ist in unserer recht großen Familie ähnlich. Da ich nicht im selben Ort wohne, aber nah dran, weiche ich bei mir auch gerne in Locations aus. Manchmal fühlt es sich für mich so an, als sei ich deshalb ungastlich (ich weiß, dass das Mumpitz ist). Mein Freundeskreis kommt zu Besuch, aber die kennen mich besser und da bin ich entspannt. Ich finde den Hinweis auf den Safespace nochmal ganz gut! Danke dafür. :)

  • #7

    Aura (Sonntag, 09 Juni 2024 15:09)

    Hallo Daniel, danke erstmal für dein Lob! Es freut mich, dass du so viel Inspiration aus den Beiträgen auf diesem Blog schöpfen kannst. Das mit den Büchern kann ich total gut nachvollziehen. Ich hatte mal eine ziemlich große Büchersammlung, bestimmt an die 300 Stück. Ich finde es eine gute Idee, die Exemplare sehr genau auszuwählen und dann ein qualitatives, gebundenes Buch zu nehmen.

    Zum Thema Besuch: Ich habe ganz normal auch mal Besuch, aber meist auch nicht mehr als 3-4 Leute gleichzeitig. Familienbesuche finden dann regulär im Elternhaus statt, das war aber schon immer so. Ich muss auch sagen, dass ich nicht die große Gastgeberin bin. In größeren Runden mag ich es sogar lieber auswärts in einer schönen Location zu sein. Meine Wohnung ist da eher "safe space".

  • #6

    Daniel (Samstag, 01 Juni 2024 11:28)

    Hallo Aura,

    ich habe in den letzten Wochen das Blogarchiv durchstöbert und wieder einmal viele interessante Gedanken und Impulse bekommen. Und über jeder neuen Eintrag freue ich mich umso mehr! Ersteinmal ein dickes Danke dafür! :)

    Zum aktuellen Blogeintrag:

    Der Gedanke an das bereits Investierte finde ich spannend und zwar nicht nur bezogen auf das Materielle. Wir können uns von vielem nicht lösen, weil wir denken, dass wir bereits so viel investiert haben und ignorieren dabei, dass es uns mit dem status quo trotzdem nicht gut geht. Ich finde den Gedanken, dass etwas seinen Wert für ich erfüllt hat und ich es damit loslassen kann, spannend. Darüber möchte ich etwas nachdenken.

    Was ist für mich unverzichtbar? Für mich sind das Bücher. Sie erfreuen mich, denn wenn ich sie sehe, erinnern sie mich an alle Abenteuer, die ich in den Geschichten erlebt habe. :D Momentan bin ich auf einer gefühlt immer währenden Queste, nur die zu behalten, die in meinen Augen unverzichtbar sind und davon ein schönes, gebundenes Exemplar zu bekommen. Wenig, aber dafür qualitativ. Ist gar nicht so einfach.

    Wie macht ihr alle das eigentlich in Bezug auf Besuch? Ladet ihr nur Menschen ein, von denen ihr wisst, dass sie auf Minimalismus "klarkommen"? Oder ist euch das egal? Ich denke da z.B. an Familie. ^^

    Liebe Grüße
    Daniel

  • #5

    Aura (Freitag, 31 Mai 2024 13:47)

    Huhu Gabi,

    ja Bedürfnisse verändern sich und deshalb gibt es auch keine Lösung die für immer vorhält. Ein Stecksystem fände ich auch praktisch, und lauter eingebaute Schränke, sodass man sich den Möbelkauf spart.

    Huhu Queen All,

    erstmal schön von dir zu lesen auf meinem Blog :-) ich weiß genau was du meinst, zu wissen mit wie wenig man glücklich und zufrieden sein kann, macht einen wirklich reich.

  • #4

    Queen All (Freitag, 31 Mai 2024 11:11)

    Die getünchte Deko ist wunderschön geworden. Ich habe ja schon vieles schwarz gestrichen und zwischenzeitlich auch schwarze Beize für mich entdeckt. Vieles hat durch das Upgrade einen dauerhaften Platz in meinen 4 Wänden bekommen, trotzdem hängt mein Herz nicht an den Lieblingsstücken. Was wohl auch an dem Luxus hängt, den du so schön beschreibst. Wir können uns aussuchen, mit was und wie viel wir uns umgeben. Müsste ich finanziell ums Überleben kämpfen, wären mir die wenigen materiellen Dinge sicherlich wichtiger. Da ich weiß, dass ich nicht viel brauche und ich mir Neues kaufen könnte, wenn ich wöllte, macht mir ein möglicher Verlust weniger Sorgen.

  • #3

    Gabi (Donnerstag, 30 Mai 2024 15:04)

    Das ist spannend. Bei mir ist es auch so, dass sich mein Bedarf an Dingen je nach Lebenssituation immer mal wieder verändert. Hinzu kommt ja noch die unfreiwillige Veränderung durch die (geplante) Obsoleszenz von Sitz-, Schlaf- und sonstigen Möbeln und Dingen - nervtötend. Ich hätte ja am liebsten Möbel im Steckbaustein-System (allerdings bloß nicht die kleinen bunten Plastikspielzeugteile mit den 4 Buchstaben). Dann ließe sich, je nach Situation, immer wieder alles auf neue Art und Weise zusammensetzen. Dann wäre ich vermutlich in meinem Wohnparadies angekommen. �

  • #2

    Aura (Donnerstag, 30 Mai 2024 12:32)

    Ja, da hast du recht, endlich alles einheitlich - genau richtig für meinen reizüberfluteten, HSP-Kopf. :-)

  • #1

    „Herzdame“ (Donnerstag, 30 Mai 2024 12:17)

    Hab ich gerne gemacht, deine Wohnung sieht durch das einheitliche Schwarz jetzt noch schöner und harmonischer aus :)