Wie lässt sich Ernährung vereinfachen? Eine Frage, die mich schon öfter erreicht hat und die ich mir auch selbst oft gestellt habe. In einem Dschungel voller Junkfood, verarbeiteter und
industriell zusammengestellter Nahrungsmittel ist die Frage nur berechtigt. Vor allem, wenn man für sich selbst feststellt, dass man mit seiner Ernährung oder deren Folgen nicht zufrieden
ist.
Die Frage und die Suche nach der „richtigen“ und „natürlichen“ Ernährung für mich als „menschliches Tier“ begleitet mich schon seit meiner frühen Jugend. Nicht nur, weil ich feststellen musste,
dass ich mit verarbeiteter Nahrung kein rechtes Maß finde, sondern auch, weil das Gefühl in mir wuchs, dass all der verarbeitete, konzentrierte und künstlich komponierte Kram einfach nicht
natürlich sein kann. Wie soll ein natürlicher Organismus in der Lage sein, unnatürliche Nahrung adäquat zu verarbeiten?
Ernährungs-Religionen und ihre Gesichter
Auf meiner Suche begegnete ich zahlreichen Ernährungsweisen – allesamt „Religionen“ mit ihren eigenen Geboten, Sünden und Ritualen. Aufgewachsen bin ich mit einer Mischkost bestehend aus
pflanzlichen, tierischen sowie verarbeiteten Nahrungsmitteln. Keine der Ernährungsweisen, die ich kennenlernte und ausprobierte zeigte die gewünschte Wirkung oder das ersehnte körperliche und
seelische Wohlbefinden. Ich suchte nach einer einfachen Lösung, die mir sinnvoll erscheint, die ethisch für mich vertretbar ist, die meinem Körper guttut. Auch stieß ich auf die verbreiteten
Diskussionen über den Sinn und Unsinn von Fleisch und tierischen Produkten.
Ich bin überzeugt davon, dass der klare, bewusste Verstand in der Lage ist, ebenso bewusste Entscheidungen zu treffen. In meiner frühen Jugend hatte ich bereits den Gedanken, dass es nur logisch
sein kann, dass eine natürliche Ernährung eine solche ist, die dem natürlichen Urzustand der menschlichen Spezies entspricht. Also eine Ernährung ohne verarbeitete und künstlich erschaffene
Produkte. Was bleibt, wenn man jegliche industriell hergestellte Nahrungsmittel oder Nahrungsmittelkombinationen wegnimmt?
Richtig, sämtliche Lebensmittel, die vom Baum fallen können, aus der Erde wachsen oder sich periodisch anbieten: Getreide, Gemüse, Obst, Stärke, Hülsenfrüchte, Beeren, Nüsse, Samen und ein
kleiner Anteil an Fleisch und tierischen Abwurfprodukten. Im Grunde ist mir bis heute klar, dass diese Aufstellung an Lebensmitteln dem natürlichen Zustand des Menschen am nächsten kommt. Da
tierische Produkte aus rein gesundheitlicher Perspektive keinen wirklichen Mehrwert bieten sind sie prinzipiell nicht überlebensnotwendig.
Einfache Ernährung – wieso praktiziert sie kaum jemand?
Die Einfachheit einer „natürlichen Ernährung“, die auf pflanzliche, vollwertige und automatisch fettarme Lebensmittel aufbaut ist deutlich. Warum fällt der Verzicht auf Fleisch, Käse, Zucker und
Co. dennoch so schwer? Kaloriendichte, Belohnungszentrum und Sucht sind hier Stichworte, die eine Rolle spielen. Probiere es selbst aus: Richte deinen Fokus drei Wochen lang auf pflanzliche,
unverarbeitete Lebensmittel. Fehlt dir was? Steigen Gelüste auf? Hast du das Gefühl, dass du Fleisch, Milchprodukte, Zuckerhaltiges, Salzhaltiges „dringend“ brauchst? Dass dein Körper es braucht,
um gesund zu sein?
Will man sich unverarbeitet ernähren stößt man an jeder Ecke auf Prüfungen, denn verarbeitetes, stark fetthaltiges oder zuckerhaltiges Essen steht überall zur Verfügung und zu jeder Zeit, oft für
wenig Geld. Auch im sozialen Zusammenhang können Konflikte entstehen. Hier erwartet einen ein schwieriger Prozess, der jedoch auch große Lernchancen bereithält.
Nur noch Grünzeug und Körner?
Auch ich stellte mir zu Beginn die Frage, was ich denn noch essen kann – eine Gurke knabbern und dazu ein paar Kartoffeln? Das geht. Oder man wird kreativ und entdeckt die vielen neuen
Möglichkeiten und Geschmacksrichtungen. Ich bin ein Fan von Eintöpfen, weil sie einfach gemacht sind, Vielfalt bieten, gut sättigen und mit vielen Stärke-Grundlagen kombinierbar sind. Eintopf als
Sauce zu Kartoffeln, Ofengemüse, Vollkornreis oder als Suppe geschlürft ist einfach immer möglich. Noch dazu lassen sich Eintöpfe wunderbar vorkochen und lagern. Auch für „Resteverwertung“ eignen
sie sich perfekt.
Mein Eintopf-Grundrezept mit nur 5 Komponenten
1. Grundlage: Linsen (mein Favorit: Rote Linsen oder Berglinsen)
2. Flüssige Komponente: z.B. gehackte Tomaten, Brühe, Tomatenmark
3. Weiterer Energielieferant: z.B. Kidneybohnen oder Kichererbsen
4. Gemüse: z.B. Paprika, Blumenkohl, Pilze, Zucchini
5. Gewürz: z.B. Curry, Paprika, Kräutermischung
Mit diesem Grundrezept lassen sich die verschiedensten Eintöpfe kreieren. Ich mag am liebsten die pikante Variante mit roten Linsen, Kidneybohnen, Paprika, Peperoni und Curry. Es lassen sich aber
auch milde und cremige Varianten herstellen mit Berglinsen, Blumenkohl, Pflanzenmilch, Kichererbsen und Kräutern. Hier ist Ausprobieren gefragt. Ich koche selten nach Rezept und kombiniere lieber
nach Gefühl, Lust und Laune. Übrigens verwende ich Eintöpfe nicht nur für Mittag- oder Abendmahlzeiten. Wenn mir danach ist, fange ich schon morgens mit einem Eintopf an, bestreue ihn mit
Haferflocken oder esse Reis dazu, um länger satt zu bleiben. Hier ist ebenfalls ausprobieren angesagt – experimentiere doch einfach mal, was sich für dich gut anfühlt und womit dein Körper gut
zurechtkommt.
Solltest du Hülsenfrüchte nur schlecht vertragen, fang langsam an die Menge zu steigern. In deinem Verdauungstrakt werden sich automatisch die richtigen Bakterien ansiedeln, die du brauchst, um
Hülsenfrüchte ohne Beschwerden zu verdauen.
Pflanzlich – fehlen da nicht Vitamine?
Eine Frage, die ich oft gestellt bekomme. Die Antwort: Nein. B12 sollte supplementiert werden je nach Wert. B12 wird allerdings auch Schlachttieren supplementiert, weshalb man bei einer
Mischkost, die auch Fleisch integriert meistens nicht selbst supplementieren muss. Meine eigene Erfahrung zeigt: Meine Blutwerte waren nie besser und meine Verdauung nie flotter – für mich hat
eine pflanzenbasierte Ernährung bisher nur Vorteile mit sich gebracht.
Da ich kein Fan von Absolutismus bin, schlage ich dir vor, experimentell zu beginnen, wenn dich diese Art der Ernährung interessiert. Zum Beispiel ein unverarbeitet pflanzliches Frühstück. Oder
generell eine Mahlzeit neugestalten, anstatt direkt alles vollständig umzustellen. Wenn es dir Spaß macht, ist die Umsetzung einfacher, auch wenn bewusste Entscheidungen definitiv dazugehören,
wenn es um verarbeitete, süchtig machende Nahrung angeht.
Mit welcher Art der Ernährung fühlst du dich derzeit wohl?
Anja (Dienstag, 07 Juli 2020 19:31)
Ich teile Deine Ansichten! Auch bei Kleidung versuche ich fair und nachhaltig zu kaufen. Lieber nur ein Shirt kaufen, dafür soll es nicht zum Billigstlohn von Kinderhand gefertigt werden. „Weniger, dafür besser“. Diese Werte versuchen wir auch unseren Töchtern weiterzugeben. Eine Kollegin argumentiert immer, dass ich ja eigentlich trotzdem nicht weiß, woher die Kleidung, das Essen (oft) kommt. Meine Antwort ist dann immer, dass ich trotzdem der Wirtschaft signalisiere, dass ich für ein faires Produkt bereit bin einen fairen Preis zu zahlen. Und nicht - möglichst viel für möglichst wenig Geld, egal wer am Ende dann dafür zahlt...
Aura (Dienstag, 07 Juli 2020 19:12)
Ja, die ehtische Perspektive ist für mich auch Grund genug, auf tierische Nahrungsmittel zu verzichten. Vorfahren haben sich omnivor ernährt, ja. Es ist ja auch immer eine Frage der Verfügbarkeit. Wenn der Hungertod droht würden wir vermutlich auch rohes Fleisch, Insekten und Baumrinde essen. Heutzutage ist alles verfügbar, was eine pflanzliche Ernährung problemlos möglich macht. Selbst die Energielieferanten wie Reis, Hülsenfrüchte und Nüsse sind ganzjährig verfügbar in großen Mengen - das wäre in der Natur nicht der Fall.
Ich esse hin und wieder auch tiereische Produkte, einfach, weil sie mir schmecken. Mir ist dann einfach bewusst, dass ich sie des Genusses wegen konsumiere - das reduziert sich aber auch immer weiter, stelle ich fest. Ich habe kein großes Bedürfnis nach tierischen Produkten.
Die Industrie finanzieren ist ein guter Punkt, das denke ich mir auch bei vielen anderen Produkten oder unnötigen Plastikverpackungen. Wo es mir möglich ist, greife ich auf Alternativen zurück und es ist für mich ein gutes Gefühl für die plastikfreie/ tierfreie/ nachhaltige/ was auch immer- Alternative "abzustimmen". Geld ist in der Hinsicht wie das Kreuz auf dem Wahlbogen - und die Frage: Wofür will ich heute abstimmen?
Anja (Dienstag, 07 Juli 2020 19:00)
Ich gebe Dir absolut Recht! Wir werden dazu erzogen, nicht auf uns und unsere Körpersignale zu hören sondern es „richtig“ zu machen > und das betrifft viele Bereiche. So entsteht tatsächlich eine große Entfremdung zwischen Körper, Geist und Seele.
Für mich ist auch noch sehr wichtig, woher mein Essen kommt! Ich möchte mir tatsächlich nicht irgendwelches billiges Fleisch „einverleiben“, wofür andere Lebewesen grausam in der Massentierhaltung aufgewachsen und noch grausamer in riesigen Schlachthöfen unter teilweise haarsträubenden Umstände geschlachtet werden. Keiner kann mir erzählen, dass diese Energie der Angst, das Adrenalin etc. nicht in dem Fleisch gespeichert sind... Ganz zu Schweigen davon, dass ich diese Industrie nicht finanzieren will. Tatsächlich fände ich es okay, Fleisch von frei lebenden Wildtieren oder Rindern (gibt es tatsächlich noch bei uns auf dem Lande) zu essen. Ich denke schon, dass der Mensch grundsätzlich ein „Mischköstler“ wäre. Aber wie schon geschrieben, es ist nicht mein Stil. Ich mache etwas meistens ganz oder gar nicht. Für mich ist das einfacher...als jedesmal zu überlegen, woher das Fleisch jetzt wohl kommt.
Aura (Dienstag, 07 Juli 2020 00:19)
Hallo Anja,
danke für deinen ausführlichen Kommentar! Ich gehöre auch nicht zu den "intuitiv-schlanken" Menschen, halte zwar mein aktuelles Gewicht auch mehr oder weniger, aber bin absolut nicht zufrieden mit dem Zustand und vor allem mit der Ursache des Zustands.
Das blinde folgen von Ernährungs-Ideologien oder "Religionen", wie ich es gerne nenne, funktioniert für mich auch nicht, zumal fremdbestimmte Motivationsgründe meistens nicht nachhaltig sind - wenn man für sich selbst ergründet und ausprobiert, was funktioniert, dann ist man wesentlich besser dran.
Ich glaube, dass eine große Entfremdung von Körper und Seele besteht, die es vielen Menschen erschwert, überhaupt auf sich und ihren Körper zu vertrauen. Ernährungs-Religionen schlagen da natürlich gut ein, da sie etwas versprechen, wenn man sich nur an diese und jene Regeln hält.
Super, dass du da einen Weg für dich gefunden hast, der funktioniert!
Anja (Montag, 06 Juli 2020 09:41)
Sorry für die vielen Rechtschreibfehler! Ich tu mich teilweise schwer auf dem Handy längere Texte zu schreiben und die Autokorrektur tut ihr Ihriges dazu...
Anja (Montag, 06 Juli 2020 07:16)
In meiner Wahrnehmung ist Ernährung ein von allen Seiten unheimlich verkompliziertes Thema. Es gibt 1000 verschiedene Ernährungstrends - jeder einzelne mit sicherlich wahren und vernünftigen Argumenten.
Das Thema ist seit jeher schwierig für mich, da ich nicht von Haus aus schlank bin und eigentlich immer gerne und mit Genuss gegessen habe. Mit Disziplin und Strenge halte ich allerdings seit vielen Jahren mein Gewicht. Nun ernähre ich mich seit ca. 4 Jahren komplett vegan (vorher schon einige Jahre vegetarisch) und koche sehr vielseitig und achte darauf, viele Hülsenfrüchte, Getreide und natürlich alles was es an Gemüse u. Obst gibt täglich in meinem und dem Speiseplan meiner Familie unterzubringen.
Dennoch habe ich seit längerer Zeit das Gefühl, dass es mir körperlich nicht mehr so gut geht. Ich sehe richtigehend ausgemerkelt aus und bin sehr krankheitsanfällig. Die Adern stehen auf meinen Armen raus und irgendwie habe ich den Eindruck, dass alle meine Reserven aufgebraucht sind.
Nun bin ich durch Zufall auf das Buch "Yoga of Eating" von Charles Eisenstein gestoßen. Da bin ich doch zum Nachdenken gekommen. Er beschreibt sehr verständlich, dass eigentlich jeder Körper eine ganz indidviuelle Ernährung braucht und sich die Anforderungen im Laufe des Lebens auch immer wieder ändern > so wie sich der Köper eben auch verändert im Zuge des Älterwerdens. Ein Mönch im Kloster Tibets kann nicht das gleiche essen und brauchen wie ein Bauarbeiter und ein pupertierender Jugendlicher nicht das selbe wie eine schwangere Frau z. B.
Sein Rat ist, wirklich auf den Körper zu hören, der einem eigentlich sehr deutlich zeigt und sagt, was er jetzt gerade braucht und möchte. Dieses macht für mich mehr Sinn, als sklavisch einer Ideoligie zu folgen. Das ist für mich die eigentlich wirkliche "Einfachheit".
Für mich aber schwer. Ich bin jemand, der normalerweise alles entweder ganz oder gar nicht tut.
Seit ein paar Wochen esse ich ab und zu ein Ei (von den Hühnern einger Kollegin, die im Garten leben) und ab und an ein bisschen Käse.
Ich muss sagen, es tut mir gut.